lauter niemand - bio - prosa - lyrik - poetik
 
 
Einat Davidi
 
 
literaturlabor 24.11.2002
 
Trez esbozos sobre amor y guerra
oder
Drei Präkompositionen zu Liebe und Arbeit
 
1.
Du wirst nichts machen müssen. Ich werde derjenige sein, der macht. Deine Aufgabe ist es, zu sein, zu leben, zu schlafen, aufzustehen, in die Sonne zu blicken und dich von ihr führen zu lassen. Du wirst nicht Tag und Nacht die Schwerter schleifen und eng an deinem Körper tragen müssen. Du wirst nicht ewig wachsam sein, stets bereit aufzustehen, zu laufen und mit blutigen Augen anzugreifen, um dein Land und dich zu schützen. Du wirst, wie das Land, die Ursache und der Grund für das Kämpfen sein. Während ich weiter kämpfe, ohne zu sehen, ob es einen Feind gibt oder nicht, wirst du, ein Jäger, nur mit deinen Augen ausgerüstet, vorsichtig und langsam atmen, damit der Vogel nicht merkt, dass du ihn beobachtest.
Du bist der Feigenbaum und deine Früchte sind nicht vorhersehbar. Mit deinen in Richtung Himmel ausgestreckten Armen wirst du dich nie schützen können. Wenn ich zu Besuch komme und sehe , dass keine Früchte zwischen deinen Blättern wachsen, werde ich wissen, dass es nicht genug war, das Kommen des Feindes zu verhindern. Ich werde wissen, dass der Lärm des Krieges dich erschrocken hat und dass man das Getöse von deinen Ohren hätte fernhalten müssen.
Jahre werden vergehen. Ich werde nicht dort sein, dich zu giessen und das Unkraut zu jäten, das dir das Wasser entzieht. Die trockenen Blätter, die von dir fallen, lassen mein Herz erkalten. Ich werde weiter entfernt kämpfen müssen, um deine Ruhe zu ermöglichen. Aber wenn ich das nächste Mal da bin, werde ich dich kaum erkennen. An deiner Stelle steht nurmehr ein holziger Stein. Das Unkraut, das dir das Wasser langsam entzog, wird signalisieren, dass du es bist und nicht irgendein Stein unter den anderen. Wie kam es dazu, dass du dich in einen Stein verwandelt hast? Bei so viel Ruhe, so viel Zeit ohne Krieg, der sich doch so weit weg von dir abspielte? Ich werde mich in deine Nähe setzen, meinen Kopf an deinen Stamm lehnen, werde verwundet und erschöpft einschlafen.
 
2.
Sieh mal meine Liebe, die Welt ist allein. Wir sind zwei. Wir sind also die Mehrheit und die Welt muss dies anerkennen. So mag ich dich, Kämpferin: schnell und flexibel wie eine Katze. Du bist nichts anderes als Körper und Bewegung. Du rennst, kriechst, schiesst, wirfst, lauerst, improvisierst Waffen und denkst Taktiken aus. Wir greifen zusammen an und decken einander.. Ich sehe dich an und verstehe, was es bedeutet, Kämpfer zu sein. Deine Sinne sind wach und verschärft, deine Augen erkennen und verfolgen jede Bewegung, deine Ohren empfangen jedes Geräusch. Du kontrollierst deinen Körper und benutzt ihn schlau im Raum und in der Zeit. Dein Körper braucht wenig und produziert viel. Deine Bewegungen sind synchronisiert, schnell und sparsam.
Der Krieg ist weder eine Erfindung noch ein Spiel. Der Wille zu gewinnen ist der Wille nicht zu sterben. Im Krieg kommen alle Lebenskräfte zu ihrer maximalen Ausnutzung und Verwirklichung. Intelligenz und Instinkt leben in Harmonie. Wir sind zum Machen geboren und zelebrieren den Sieg über die Angst. Neben dir zu kämpfen ist die größte Ehre. Wir gehorchen keinen Befehlen und geben einander keine. Unsere Befehle sind innerlich. Sie sind die Gesetze unserer Liebe. Es gibt keinen besser koordinierten Kampf als diesen und keine Strategie, die mit unserer konkurrieren könnte. Ich muss nicht fragen, wo du bist, an welchem Ort und in welcher Richtung du angreifst. Ich bin ja gleichzeitg an deiner Stelle und du an meiner. Ich muss also nicht wissen, ob ich derjenige bin, der diese Worte sagt oder ob es deine Worte sind. Wenn ich mir also eines Tages in mein Herz schieße, um es zu wecken, werde ich nicht mehr wissen, ob es ein Mord oder ein Selbstmord ist.
 
3.
Wie viele Jahre haben wir gebraucht, um hierher zu gelangen. Ein Land ohne Krieg. Ein Land des Friedens. Wir mussten mit allen Kriegern fertig werden und alle Schwerter und Pflugscharen vernichten. Vernichten mussten wir alle Dokumente, Manifeste und Gedichte, die zum Krieg aufrufen. Der Krieg um den Frieden ist zu Ende gebracht. Aber draussen setzt er sich fort. Sein gedämpftes Getöse begleitet unsere Küsse und unser Atmen.Wir sammeln keine Vorräte für Belagerungzeiten, streichen nicht die Fensterscheiben an und verstecken kein Gewehr unter dem Bett.
Die Sonne ist untergegangen und Dunkelheit umfängt das Haus. Wir entzünden aber keine Kerze denn wir brauchen keinerlei Zeichen für Raum oder Richtung. Der Kuss ist der Raum und ist die Zeit, randlos, ewig. Im Zimmer ist dezentes blaues Licht. Es hat keinen bestimmten Ursprung und wird nirgendwo verschluckt. Es ist eine Gelegenheit, dein Gesicht während des Küssens zu sehen. Seltsam, wenn du das auch gerade tust. Vier Augen sind da offen und der Kuss ist in diesem Augenblick eine Begleiterscheinung oder sogar eine Lüge. Ich mache dann lieber die Augen zu, lass dich mich küssend beobachten und weiss nicht mehr, ob du auf mich blickst oder eben mit geschlossenen Augen denkst, dass ich dich beobachte. Wir küssen uns die ganze Nacht lang, machen unsere Augen auf und zu.
Das blaue Licht ist überall. Doch wir haben keine Angst vor ihm. Das Getöse des Krieges ist der Lärm der menschlichen Natur, wie der Lärm der Fahrräder und der Kühlschränke. Unsere Ohren empfangen und lieben es, weil unsere verliebten Körper alles in Natur verwandeln. Der Krieg ist da draussen und wenn er zu uns kommt, ist er willkommen. Wie viele Jahre haben wir gebraucht, um zu diesem Moment zu gelangen, einem Land ohne Krieg, einem Land des Friedens.
 
 
 
literaturlabor 25.08.2002
 
Vater sein
 
Ich möchte Vater sein
und an Wörter glauben,
ein seltener Mensch sein
der nach Draussen riecht wenn er herein kommt
und nach Drinnen riecht wenn er hinausgeht,
der ankommt genauso wie er weggeht
und weggeht genauso wie er ankommt
und dafür muss er
wie ein Esel arbeiten
und wie ein Esel tragen
und wie ein Esel schreien

Dass jemand glücklich zu mir läuft und danach
in meinen Armen weint und zu Mutter will.
Ich möchte Mutter beneiden,
die Überlegenheit von Mutter akzeptieren,
weil es nur eine Mutter gibt
und alle Wege führen zu Mutter.
Ich möchte ihr zurufen:
Warum setzt du unfruchtbare Söhne in die Welt Mutter,
die keinen Anteil an der Schöpfung nehmen werden, exilierte Söhne, ohne Grund und Boden
Einerseits sind sie, und die Welt andererseits.
Warum hast du es mir angetan Mutter?

Jetzt, als die Option der Symbiose zwischen Wort und Ding zu Ende ging, können wir heiraten. Das Heiraten ist ein Ausdruck der Unfähigkeit zu heiraten. Die Wörter haben sich von den Dingen befreit und das Kein-zurück wird als Sehnsucht gefroren. Das Heiraten ist eine feste Nostalgie. Das Heiraten ist heimatähnlich.

(1994 wurde eine Beobachtung in Maagan-Michael aufgezeichnet. Man sass im Schlamm am Rande eines künstlichen Teiches mit Ferngläsern und hat sich auf einmal erschrocken. Ein Schwan Namens Cygnus Cygnus hat das Sichtfeld durchquert in ca. 200 m Entfernung. Jemand hat seinen Namen geflüstert, den man vom "The Birds of Britain and Europe with North Africa and the Middle East" kannte und man hat einen Augenblick des Aussergewöhnlichen genossen. Es war die erste Eintragung seit der Beobachtung des englischen Reisenden Tristram im 19. Jhdt. Jetzt wandert er nicht und ist nicht unterwegs. Er zieht auf der Spree mit anderen weissen Schwänen Cygnus Cygnus oder Cygnus Olore umher und isst aus der Hand.)

Der, der im Exil lebt, hat kein Recht irgendwas zu sagen. Zwar braucht er kein Fernglas, der Staub und die Sonne verblenden ihn nicht aber vor lauter Schwänen sieht er nicht mehr das Problem.

Die Freunde, die im Biergarten sassen, haben darüber nicht gesprochen. Warum haben sie nicht darüber gesprochen? Weil sie dachten, dass es langweilig ist, darüber zu sprechen und dass die Diskussion darüber keinen Einfluss darauf haben wird. Und als mann das gemerkt hat, waren schon einige ihrer Köpfe kahl und ihre Körper trugen gestreifte Leibröcke.

Es gibt solche, die die Welt nicht als ein Resultat der Interaktionen zwischen Machtpositionen verstehen. Als eine permanente Interaktion zwischen Linearität und Rundheit. Linearität und Rundheit sind keine eufomische Ausdrücke, man sagt sie nicht um dieselbe Sache anders neutraler zu benennen. Linearität und Rundheit sind nichts anderes als Linearität und Rundheit. Sie sind keine Pronomen, keine Symbole, keine Metaphern, keine Signifikanten und keine Signifikante. Es gibt solche, die in einer ganz anderen Sphäre leben.

Das Gute im Exil ist das Nicht. Das Exil ist nicht gut deswegen, was es in ihm gibt, sondern deswegen, was es in ihm nicht gibt. Der im Exil Lebende ist jemand, der aus dem Zug zur sicheren Stelle ausgestiegen ist. Da gibt es nichts weiteres als weisse Schwäne.

Alles, was du machen musst um die Wörter aus ihrer scheinsymbiotischen Heirat zu retten, ist deine Sphäre zu ändern. Du veränderst dich und die Welt verändert sich entsprechend.
Es ist eine angemessene Art, politische Probleme zu lösen.

Also möchte ich ein Vater sein und an das Wort Wörter glauben, den Kindern das Wort Schwäne schenken und das Wort weinende Kinder nicht aushalten.