Katrin Girgensohn:

Literaturszene

Ich hätte Breton gern kennengelernt
obwohl der mit Sicherheit
ein Arschloch war.
Breton und sein
Denkdiktat ohne Vernunftkontrolle.
Wieso hat der Nähmaschinen gedacht.
Breton du Lügner.
Aber immerhin.

Ich
lebe in der Dekade
der netten kleinen Geschichten.
Nette kleine Geschichte
und was besseres
kann ich selber nicht.
Fuck you Fuck you
ich beneide die Rapper
um ihre Klischees
ihre Reime und den Sozialkitsch.
Fuck Fuck Fuck
reimen sie ohne Vergangenheit
und die Last des
Das-kann-man-heute-nicht-mehr-machen.

Ich
lebe in der Dekade
der netten kleinen Szene.
Und Szene heißt immer
du mußt sein
auf eine bestimmte Art.
Sein so oder so
um dazuzugehören.
Was soll da noch
Interessantes kommen?
Fuck Fuck Fuck,
ich beneide die Rapper
und nehme mir vor
mehr ficken mehr fernsehn.
Oder so.
Mehr rauchen, mehr trinken
mehr schreiben
und tags drauf kürze ich
dreiviertel raus
und irgendwann gibt’s den Müll
als directors cut.

Ich
lebe in der Dekade
der netten kleinen Popstars.
Überall wird das beschworen
heute sind Dichter Popstars
stand im Spiegel
stand im Stern
nette kleine Popstars
in renommierten Hotelzimmern
smaltalken sie
statt Mobiliar zu zerkloppen
wie echte Popstars,
echte Popstars
haun drauf.

Ich hätte Breton gern kennengelernt
weil er mit Sicherheit ein Arschloch war.
Theodoras Fuck-You-Hotline
schalten wir frei demnächst.
99 Pfennig die Minute.
Beschimpfen Sie Autoren.
Schimpfen Sie anonym.
Und lassen sie uns endlich hören
von einem wirklich
widerwärtigen Buch.

Nette, kleine Dekade.
Handwerk beherrschen,
Handwerk beherrschen
ist das Motto der
netten, kleinen Dekade.
Und wer das Handwerk beherrscht
verdient zu gut
um darüber hinauszugehen.
Und wer das Handwerk nicht beherrscht
stümpert vor sich hin
wie ich
und schreibt nett und klein.
„Ich habe gehört,
du schreibst schöne Texte.“
So, sagt man das?
Ich bin ruiniert,
es hat sich bereits
rumgesprochen,
schöne Texte also
das wars dann wohl.

Theodoras Fuck-you-Hotline
und ich tauge nichtmal
für eine Publikumsbeschimpfung.
Ich bin eine wandelnde Bildungslücke.
Handke hat Pitbull-Titel.
Lassen mich nicht ran.
Halten die Bücher auf Abstand.
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
fletscht die Zähne
ich rufe Theodora an:

Fuck you Fuck you
beschimpfe ich mich
du schreibst wie eine milchige Spreewaldgurke
mit nassen Füßen.
Du schreibst wie eine müde Neonröhre
im Kühlregal bei Lidl.
Du schreibst wie
die TAZ.

Fuck Fuck Fuck
beneide ich die Rapper.

Lieber würd ich
singen können.
Die sind wenigstens in Bewegung.
Beim Schreiben und lesen
kann man nicht
mit den Titten wackeln.
Dabei befördert das
die Kreativität.
Mit dem Dichtgeist
will ich mal ringen
nicht mit meinem Lächeln.

Fuck you und Tschüß,
Breton, du Arschloch.

 

Theodora präsentiert

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