Katrin Girgensohn:

Sommerrapport

Diesen Sommer habe ich mir einige Fälle gestrickt.
Unserem Männerbeauftragten gefielen sie ausgesprochen gut, was aber nicht von Bedeutung ist. Der Männerbeauftragte der Dauergäste ist trächtig. Jeden Morgen steht er vor der kleinen Scheibe, die in die Tür zum Hof eingelassen ist. Hier gibt es keine Spiegel. Dort steht er und massiert sich seine lächerlichen Tittchen. Sein Piercing hat er schon entfernen lassen. Ich habe ein zwiespältiges Verhältnis zum Männerbeauftragten der Dauergäste. Das mag daran liegen, daß ich weder ein Mann, noch ein Dauergast bin. Ich bin nur eine Wöchnerin. Wie alle Frauen bin ich in drei Wochen draußen. Es sind die Männer, die ewig kreißen. Spätgebärende Dauergäste.
Mein Amt ist es, dafür zu sorgen, daß alle jeden Morgen ihre befreienden Elemente trinken. Mit dem Männerbeauftragten habe ich eines Morgens in die Gläschen uriniert. Notfalls hätten wir gesagt, sein Fruchtstengel sei mit ihm durchgegangen. Sowas wird geduldet hier. Ich mag seinen Fruchtstengel. Er hat ein warmes Grinsen und kann eine Beziehung zu den Gefühlen im Raum herstellen.
Es hat aber niemand etwas gemerkt. Alle haben getrunken und sind ihre Parzellen reinigen gegangen.
Vielleicht kann ich die gestrickten Fälle lösen, wenn ich gegangen bin. Zuletzt ging Darvia. Sie verließ den Saal mit nichts als einer Zuckertüte voll Blut. Sie hatte es versäumt, rechtzeitig den Beleg für den Vater einzufordern.
Heute Nacht dachte ich daran, den Männerbeauftragten zu ehelichen. Aber es kann Jahre dauern, bis das Loch in der Brust verheilt ist. Ich mußte schon viele Beziehungen knoten. Manchmal habe ich aus entwickelten Filmen Rollen gemacht. Keiner kann sagen, daß ich unterbelichtet bin. Ich weiß Bescheid. In der Scheibe, die in die Tür zum Hof eingelassen ist, habe ich meine Augen betrachtet. Hier gibt es keine Spiegel. Meine Augen blicken in die langweilige Erfahrung der Erregung. Nur meine Rippen schwitzen, wenn ich nicht komme, sondern gehe. Salzwasser tropft aus der hohlen Stelle, an der man mir den Knochen entnahm. Ich werde diesen Sommer noch einige Fälle stricken.

 

Theodora präsentiert

Zurück zur Startseite