lesung politischer lyrik 2010- programm - photos
 
 
2. lauter niemand preis für politische lyrik 2010
Lesung mit Preisverleihung und Diskussion
 
wann
01. Dez. 2010
20.00 Uhr Einlass
20.30 Beginn

 
wo
MAX und MORITZ / Oranienstrasse 162 / 10 969 Berlin 36 (Kreuzberg)
 

zur lesung
Der lauter niemand preis für politische lyrik ging 2010 in die zweite Runde und fand mit 414 teilnehmenden Autoren wieder hohe Resonanz im ganzen deutschsprachigen Raum. Auffällig viele der Autoren, die wir hier noch mit ihren Texten veröffentlichen werden, sind zum Beispiel aus Wien. Erfreulich ist der deutlich erhöhte Anteil von Frauen, denn zu 238 Autoren folgten diesmal 176 Autorinnen dem Aufruf, sich mit Lyrik politisch zu äußern. Die engere Auswahl spiegelt dieses deutlich veränderte Verhältnis mit 3 Autorinnen zu 9 Autoren allerdings nicht: Aber was dieses Mal nicht ist, das kann nächstes Mal noch werden. In der Endauswahl stehen Clemens Schittko, Susanne Eules, Marcus Roloff, Kai Pohl, Johann Reißer und Thomas Rackwitz. Zur Lesung werden die Gewinner bekannt gegeben.
 
zur diskussion
Was ist das Politische in der Lyrik? - Dieser Frage werden die Juroren Katrin Heinau, Stefan Döring und Tom Schulz nach der Lesung und Preisvergabe nachgehen. Es moderiert Clemens Kuhnert.
 
musik
Wird sich noch entscheiden.
 
reader und internetveröffentlichung
Begleitend zur Lesung wird ein Reader mit den Autoren in der engeren Auswahl zum Verkauf angeboten. Nach der Lesung wird eine Auswahl von ca. 50 Autoren mit ihren Texten im Netz entsprechend der Bewertung veröffentlicht werden. Diese werden wieder von Kritiken und Texten zum Preis begleitet, so unter anderen von Katrin Heinau, einer der Juroren, mit Anmerkungen zum Stand der politischen Lyrik und ihren Kritierien bei der Auswahl.
 
eintritt
5 Euro
 
nachlese
Die Lesung war trotz Schneesturms vor der Tür und obwohl die U8 nur bis Kottbusser Tor wegen eines Rettungseinsatzes fuhr gut besucht und hat den Lesenden wie dem Publikum nach den eingeholten Selbstaussagen wohl gut gefallen. So blieben Viele trotz der widrigen Verhältnisse und der vorgerückten Uhrzeit um die Frage, was politische Lyrik sei, mit den Juroren zu diskutieren:

Mir als Moderator hat es Erkenntnisgewinn gebracht und ich gebe im Indikativ wieder, was mir in konzentrierter Form hängen blieb: Die Vorgabe politische Gedichte einzureichen ist erstmal eine des Themas. Das Politische des Gedichtes ist eine direkte oder indirekte Parteinahme in öffentlichen Dingen oder Belangen (und dies könnte auch die Verweigerung einer allzu klaren Haltung beinhalten). Katrin Heinau las aus dem Reader vor, was für Themen in diesem Sinne von den eingereichten Gedichten behandelt wurde: Es schien kaum etwas vom Möglichen zu fehlen. Die Frage von Tom Schulz ist nur richtig, ob für ein politische Gedicht jedes Thema zu mehr führen könne, als zur bloßen Aussage dessen, was sich ohne Gedicht leichter sagen ließe. Die politische Lyrik in unserer Gesellschaft besitzt wenn, dann vor allem eine eher subversive Wirkung auf das politische Tagesgeschehen, weil sie sich dem, was jemand aus dem Publikum den "überbordenden Müll auf allen Kanälen" nicht müde zu benennen wurde, zumeist verweigert. Es fehlt ihr also die Möglichkeit eines Tabubruchs welcher in offensichtlich stark restriktiv geführten Gesellschaften sowohl den Autoren in seinem Mut, wie auch den Leser in ihrer Wut beseelte, ähnlich wie eine Bombe nur hochgeht, weil sie einen Stahlmantel besitzt. (Anm.: Stefan Döring, der Juror, der nicht mitdiskutierte, vertrat damit eine der wenigen Möglichkeiten, sich wirklich außerhalb der Regel unserer Gesellschaft zu stellen, nämlich durch Verweigerung: Nur wie weit ist die nun wirksam? - Andererseits fragte der Stifter Eingangs, warum viele der eingereichten Texte eine so resignierte Haltung besäßen: Vielleicht, weil außer bei öffentlich inzenierten Wutritualen und -Predigten, bei welchen das Zeigen und Feiern eines Ausbruchswillens oft das einzig Interessante bleiben, kein Widerstand wirkliche Ansatzpunkte findet: Was bleibt ist das Gemecker von den Hinterbänken. An wem liegt das nun?) Was die politische Lyrik nun im Gegensatz zur politischen Tat oder dem Statement mehr bringen könnte, ist einmal die Verknappung und Konzentration mit Hilfe einer auf die Aussage hin optimierten Sprache. Zugleich ist die Art und Weise des Sprechens auch wesentlicher Bestandteil des Gedichtes und die Verwendung der Sprache im politischen Zusammenhang und deren Kritik kann sogar der eigentliche Inhalt des Gedichtes sein: Unter den Preisträgern gab es Beispiele dieser Spracharbeit. Die Haltung des Autoren, die durch das Gedicht vertreten wird, zeigt sich "als ethischer Körper des Gedichtes", wie Tom Schulz es ausdrückte. Im Grunde geht es darum, wie man seinen Standpunkt bezogen auf Jene vertritt, vor welchen man sich ausdrückt. Wie gehe ich mit Ihnen um und den verhandelten gemeinsamen Dingen, wenn ich mit Sprache umgehe und mit welchem Geschick vertrete ich sie und wo sind meine Grenzen. Der Mehrgewinn ist ethisch im Sinne von Ästethisch, wie Daniel Falb mit mir nach der Lesung einfiel. Das meine Definition von Ästhetik ist, dass sie die Moral der Moral sei, passt mir hier gut. Es wird zwar Verschiedenes und vielleicht auch Unvereinbares von unterschiedlichen Parteien vertreten und dies besitzt auch erstmal keine besondere Moral, aber es kennt Regeln, wie das Moralische sich zeigen muss, um als solches erkannt zu werden. Um es kurz auszuführen: Sparsamkeit der Mittel, Widerspruchsfreiheit, (es sei den, der innere Widerspruch ist das Gewollte) und Wiederholbarkeit oder Wirksamkeit in unterschiedlichen Zusammenhängen, das wären sowohl mögliche Anforderungen an eine erkennbare Moral als auch an ein gutes Gedicht: Zeigt es sich nicht im Gedicht, dann im Zusammenhang, auf den es Bezug nimmt und dies vielleicht gerade darin, dass es ein störender oder zerstörerischer Bezug ist. Nur ohne einen solchen inneren oder äußeren Zusammenhang wird es als Gedicht nur schwer wirksam oder erkennbar. Aber jetzt lasse ich mich nicht weiter von dem Abend des 01.12.2010 forttragen.
Mehr Gedichte demnächst auf der Homepage und es gibt einen Reader (10€) mit den 10 Autoren in der engeren Auswahl unter unserer Redaktionsadresse zu bestellen. Wir danken Allen, welche gestiftet haben und schrieben und einschickten und mitorganisierten und auswählten und warben und Einlass machten und kamen und lasen und photografierten und diskutierten und nachdachten... Bis zum 3. Preis für politische lyrik 2011.
 
im nachhinein